Nach dem Ende des Neuen Markts 2003 schafften nur noch wenige Gründer mit ihren Start-ups den ultimativen Exit – einen Börsengang. Mittlerweile steigt die überwiegende Mehrheit viel früher aus. Sie verkauft an große Unternehmen, macht einen Trade Sale mit einem Investor oder das Start-up wandert als Leveraged Buyout in einen Private-Equity-Fonds. Die Gründerinnen und Gründer machen damit finanziell einen guten Schnitt, müssen aber in der Regel auch den Einfluss auf ihr „Kind“ abgeben. Die neuen Eigentümer besitzen keine emotionale Identifikation mehr wie die Gründer und führen das Unternehmen überwiegend nur unter Renditeaspekten, bauen es dafür um oder lösen es sogar auf. Diese typischen Wege gefallen längst nicht mehr allen, die auf der Suche nach einer Exit-Strategie sind – und es gibt tatsächlich eine Alternative, die den Gründergeist bewahren kann.
Die alte Idee des gemeinschaftlichen Wirtschaftens kehrt zurück
Der britische Textilunternehmer und früher Sozialist Robert Owen schritt schon um 1800 für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie voran. Einige Jahre später gründete er mit anderen Webern die erste Einkaufsgenossenschaft. Dem Zusammenschluss gelang es schnell, bessere Einkaufspreise für alle zu erzielen und zugleich lieferte er die Vorlage für das spätere Genossenschaftswesen. Dieses wurde in der Moderne auch zu einer neuen Form der Exit-Strategie. Ein frühes, prominentes Beispiel dafür findet sich mit dem Unternehmer Gottlieb Duttweiler und seiner Migros-Einzelhandelsgeschäfte in der Schweiz. Duttweiler war ein Revolutionär des Einzelhandels und entwarf viele Strategien, die heute noch Discounter und Supermärkte prägen. Seine Innovationen trafen in den 1930 Jahren jedoch auf viel Widerstand des traditionellen Handels, der beste Beziehungen in die Politik besaß und Duttweiler so teilweise über Jahre Steine in den Weg legte. Also beschloss Duttweiler, selbst in die Politik zu gehen und sich von seinem Unternehmen zu verabschieden. Er verkaufte es aber nicht einfach, sondern übergab es kostenlos seinen Angestellten, Kundinnen und Kunden in Form von Anteilsscheinen an einer Genossenschaft – der erste Exit to Community der Geschichte.
Nutzerinnen und Nutzer wissen am besten, was für ihr Lieblingsunternehmen gut ist
Wer könnte besser über die Zukunft eines Unternehmens, die Entwicklung des Angebots oder neuer Produkte entscheiden als diejenigen, die ihm seit den ersten Tagen treu folgen? Das ist der Kerngedanke hinter dem Exit to Community. Die Migros-Märkte laufen bis heute erfolgreich nach diesem Prinzip und in der Genossenschaftsgemeinde herrscht kontinuierlich eine lebhafte Debatten- und Entwicklungskultur. Heutige Schweizer Start-ups folgen diesem Beispiel – zum Beispiel die Schweizer Crowdfunding-Plattform Wemakeit. Gründer Johannes Gees verschenkt Wemakeit-Anteile zwar nicht, sondern verkauft sie außerbörslich und lässt einen Teil der Einnahmen wieder in die Plattform fließen, übergibt sie aber am Ende genau wie Duttweiler an die Gemeinschaft, die sie immer nutzte. So kann die Gemeinschaft alles behalten, was sie seit Jahren an Wemakeit schätzt oder das Geschätzte als Insider weiterentwickeln. Nathan Schneider, Leiter des Media Enterprise Design Labs an der University of Colorado, sieht bei dieser Form des Exits und der Unternehmensweiterführung zwar keine messbar besseren Renditen, dafür aber viele Chancen an anderen Stellen: solche Unternehmen können für ihn innovativer und sozial verantwortlicher agieren, weil sie nutzermotiviert eher höheren Gedanken folgen als nur dem Profit.
Das allein kann Potenziale eröffnen, die heute gefragt sind. Ebenso kann die kunden- oder nutzerbasierte Unternehmensführung eine ganz neue Wirtschaftsära prägen und die Basics von Kapitalismus und Kommunismus zusammenführen.